
Ein Jahr an eine amerikanische High School zu gehen hört sich für manche Schüler wie ein Traum an. Aber die Angst vor so einem Abenteuer ist groß und viele wagen es dann doch nicht. Ich habe das vergangene Schuljahr 2018/19 an einer High School in den USA verbracht, genauer gesagt in Illinois. „Illinois, kann das gut werden?“, hätte sich sicherlich so mancher gedacht. Ich war aber nur aufgeregt endlich etwas Neues, Aufregendes zu erleben und herauszufinden, was die Welt mir zu bieten hat.
Von dem Wunsch eines Auslandsjahres bis hin zum Abflug dauerte es eine ganze Weile. Zuallererst besuchten meine Eltern und ich die Jugendbildungsmesse in Essen. Dort hatten wir die Chance mit vielen verschiedenen Organisationen zu reden und bekamen einen Haufen Kataloge und Broschüren mit. Mit zwei Organisationen hatten wir dann ein Interview organisiert.
Die Organisation macht sich ein Bild vom Schüler und klärt alle möglichen Fragen. Direkt nach dem zweiten Interview wusste ich schon, dass ich die richtige Organisation gefunden hatte. Eine Dame war mir einfach sympathischer als die andere! Meine Eltern hatten viel zu tun mit Verträgen usw., und ich musste einen Fragebogen ausfüllen und einen Brief mit Fotos an eine potentielle Gastfamilie schreiben. Dann hieß es warten: von Ende November bis Ende März gab es nichts zu tun und auch keine Neuigkeiten. Langsam wurden wir alle auch etwas nervös, denn man möchte schon gerne wissen, wo es hingeht. Schließlich bekamen wir eine e-Mail von der Schule und einige Wochen später auch eine von der Gastfamilie. Ich war super glücklich, da ich drei Schwestern haben würde, zwei in meinem Alter und eine etwas jüngere. Also mal was ganz anderes als hier mit zwei älteren Brüdern. Das Visum konnten wir mit Hilfe der Organisation auch recht einfach beantragen. Alles war bereit und ich hatte nur noch wenige Monate bis zum Abflug.
Die letzten Wochen vor dem Flug waren etwas durcheinander. Ich war eigentlich nur super super aufgeregt und konnte es kaum glauben. Der Abschied von Familie und Freunden war dann doch etwas schwieriger als erwartet, aber schrecklich war es nicht. Nach einem langen Flug und Umstieg in Atlanta war ich ziemlich platt. Meine Gastfamilie holte mich am Flughafen in St. Louis ab und schnell ging es nach Hause und ins Bett. Die ersten Tage waren schnell vergangen, bis die Schule anfing. Und schon musste ich mir Gedanken über die Fächerwahl machen. Ich hatte natürlich schon mal auf der Website der Schule geschaut, aber es kam dann doch anders als erwartet. Ich fand die Spanischlehrerin so nett, dass ich ganz spontan Spanisch wählte. Es war zwar sehr einfach, aber hat trotzdem Spaß gemacht. Mein liebstes Fach war allerdings Chor. Es war richtig toll mit so talentierten Jugendlichen jeden Tag zu musizieren und ich habe dabei vieles Neues gelernt. Der Unterricht ging jeden Tag von 8:00 bis 15.15 Uhr, aufgeteilt in acht Stunden und 20 Minuten Mittagspause. Das war also ganz schön anders als am Krupp. Ich konnte mich jedoch sehr schnell in den neuen Alltag einfinden. Die Schule bot einige Sportarten an trotz der geringen Schüleranzahl. Auf die Private High School gingen nämlich nur knapp 200 Schüler. Ich fand es aber genauso gut, denn mit der Zeit kannte ich echt jeden, und der Druck beim Sport super gut zu sein war sehr gering im Vergleich zur Public High School. Also verbrachte ich meine Nachmittage bis 17.30 Uhr beim Training. In der Herbstsaison war ich im Cross Country Team, wo man 5 km Rennen durch Wälder und über Felder und Wiesen läuft. Im Winter konnte ich mich nicht entscheiden und war kurzerhand beim Tanzteam und den Cheerleadern dabei. Das war eine kleine Herausforderung mit dem Zeitmanagement, aber ich hatte sehr viel Spaß dabei. Im Frühjahr wollte ich eigentlich Fußball spielen, doch nach nur einer Woche merkte ich schon, dass es mir nicht so wirklich Spaß machte, also wechselte ich zu Track&Field, was man hier als Leichtathletik kennt. Ich trainierte dort nur für den 800m- und 1600m-Lauf. Außerdem machte ich im Frühjahr auch noch beim Musical mit. Ich hatte natürlich keine große Rolle, aber ich durfte für einige Nummern die Choreographie herzaubern. Die Proben gingen jeden Tag von 18.00 bis ca. 21:00 Uhr. Meine Tage waren also lang, aber es war genau was ich brauchte um mal aus dem Haus zu kommen. Am Wochenende war dann neben weiteren Proben und Sportevents Zeit um mit der Familie etwas zu unternehmen.
Ich hatte großes Glück mit meiner Familie. Alle waren super nett und wir haben uns gut verstanden. Das war auch wichtig, denn meine drei Schwestern und ich schliefen alle zusammen im Keller. Das fand ich nicht optimal, aber dadurch sind wir auch eng zusammen gewachsen. Ich hatte mit meiner Gastfamilie die Chance St. Louis, Chicago und New Orleans zu erkunden. Außerdem besuchten wir oft die beiden Großeltern. Die beide etwas weiter weg leben.
Ich hatte zu Beginn Sorge, keine Freunde zu finden, doch die war völlig unberechtigt. Nach zwei Wochen hatte ich beim Sport schon die ersten Bekanntschaften geschlossen, die dann auch zu meinen besten Freunden gehörten. Außerdem war ich mit anderen Austauschschülern befreundet: ein Mädchen aus Deutschland, eins aus den Niederlanden und eins aus Lettland. Und mit der Zeit kamen immer mehr Leute dazu: Freunde von Freunden, durch den Chorunterricht, durch andere Sportteams, und ganz besonders zum Schluss durch das Musical. Also hatte ich immer jemanden zum Quatschen und wenn die Zeit es erlaubte auch mal um etwas zu unternehmen. Die Beziehung zu den Lehrern war auch anders als in Deutschland. Man konnte nach der Schule immer zu den Lehrern um Hilfe bei Schularbeit oder auch privaten Problemen zu bekommen. Das Angebot wurde von den Schülern auch genutzt, denn es herrschte Vertrauen zwischen Schülern und Lehrern. Ein ganz besonderer Lehrer veranstaltete außerdem regelmäßig Spielnachmittage in seinem Klassenraum. Viele Schüler spielten zusammen Gesellschaftsspiele und es war immer super lustig.
Ich hatte das Glück eine private Lutheran High School zu besuchen und auch in einer christlichen Familie zu leben. Wir hatten also jeden Tag Religionsunterricht, der – zu meiner Überraschung sehr interessant war, und der Religionslehrer war mein Lieblingslehrer. Jedes Wochenende gingen meine Familie und ich in die Kirche und vor dem Essen wurde immer gebetet. Zuerst war ich skeptisch, denn in Deutschland wurde ich zwar getauft und bin zur Kommunion gegangen, aber Teil meines Alltags war die Kirche nicht. Das war dort ganz anders, aber es hat mir gut gefallen. Alle Leute waren total nett und leckeren Kuchen gab es auch immer.
Abschließend kann ich nur sagen, dass mein Auslandsjahr tausendmal besser war, als ich es mir erhofft hatte. Ich habe so viel gelernt und konnte einfach mal was Neues erleben. Ich kann es nur empfehlen, falls es einem, wie mir, in Deutschland einfach zu langweilig ist!
Josefine Cadenbach