Moralentwicklung ist das aktuelle Thema im Pädagogik-Leistungskurs in der Jahrgangsstufe Q1 (11.Klasse). Der Psychologe Lawrence Kohlberg erstellte eine Theorie, die die moralische Entwicklung von Menschen in Stufen einteilt. Er forschte, indem er Kindern und Jugendlichen moralische Dilemmata vorlegte. Dabei handelt es sich um Situationen, die mehrere Möglichkeiten der Entscheidung bieten, aber kein eindeutig richtiges Ergebnis haben.
Ein ganz typische Dilemma ist folgendes: Eine Frau erkrankt lebensbedrohlich an Krebs. Es gibt ein Medikament, das mit großer Wahrscheinlichkeit helfen könnte. Ein Apotheker verkauft dieses Medikament für 2000 Euro, es kostet ihn selbst aber nur 200 €. Der Ehemann der erkrankten Frau versucht mit größter Anstrengung die 2000 Euro zusammen zu bekommen, aber es werden nur 1000 Euro. Er bittet den Apotheker, ihm das Medikament trotzdem jetzt zu geben, den Rest würde er später zahlen. Der Apotheker weigert sich. Um seiner Frau zu helfen, bricht der Ehemann in die Apotheke ein und klaut das Medikament.
Die Schülerinnen und Schüler des Pädagogik-LKs beschrieben Fünft- und Sechstklässlern dieses Dilemma und stellten ihnen Fragen, z.B.: Darf der Mann das Medikament stehlen? Hat er die Pflicht es zu stehlen? Darf der Apotheker das Medikament so teuer verkaufen? Wäre der Diebstahl auch okay, wenn die Kranke eine Fremde wäre und nicht die eigene Frau? Wenn der Mann verhaftet wird, soll der Richter ihn verurteilen oder freisprechen? Eine umfassende Palette an Antworten wurde gegeben von „Der Mann darf das auf keinen Fall, denn Diebstahl ist ja ein Verbrechen.“ bis zu „Auf jeden Fall muss er das tun. Er muss ja seine Frau retten. Leben retten steht über allem.“. Die Vielzahl der unterschiedlichen Antworten bietet reichlich Anschauungsmaterial für Kohlbergs Stufenmodell der Moralentwicklung. Sie wird es den Pädagogik-Schülerinnen und -schülern in den nächsten Unterrichtsstunden erleichtern dieses Modell zu verstehen. Und sowohl die befragten Kinder als auch die pädagogischen Experten diskutierten noch fleißig über das eigentliche Interview hinaus über dieses interessante Dilemma.
Heike Kirstein
