Eine beeindruckende Zeitzeugenbegegnung fand im Krupp-Gymnasium erneut mit Betty Bausch statt. Die Schülerinnen und Schüler der Einführungsphase und der 9. Klassen sowie einige Gäste von Kooperationspartnern hatten Gelegenheit, der 96-jährigen Betty Bausch in ihren bewegenden Berichten zuzuhören und ihr einige Fragen zu stellen. Die in Israel lebende niederländische Jüdin berichtete als Holocaust-Überlebende und zog Lehren aus der Geschichte: Kein Hass! Achtet eure Mitmenschen unabhängig von Herkunft, Aussehen und Religion! Betty Bausch wird am heutigen Tage mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
Betty Bausch-Polak aus den Niederlanden und Israel
„Das Leben hat uns viel genommen, das Leben hat uns viel gegeben, das Leben sei gesegnet“ – so lautet der versöhnliche Schluss Ihres Buches „Bewegtes Schweigen“. Beeindruckend schildern Sie, liebe Betty Bausch-Polak, und Ihre Schwester darin als Zeitzeuginnen Ihre Erlebnisse aus den Kriegsjahren des 2. Weltkrieges.
Mit Ihren – ich hoffe, ich darf das verraten – 96 Jahren blicken Sie nicht nur auf ein sehr bewegtes Leben, sondern auch auf ein ereignisreiches Jahrhundert zurück. Ein Jahrhundert mit Höhen und Tiefen. Was haben Sie nicht alles erlebt – und erlitten. Heute sind Sie in zwei Ländern zuhause: in den Niederlanden und in Israel.
Während der Zeit des Nazi-Regimes schloss sich Betty-Bausch-Polak gemeinsam mit ihrem Mann einer Widerstandsgruppe in den Niederlanden an, wo sie zuhause war. Sie lebten im Untergrund, unter mehrfach wechselnden falschen Namen, blieben nie länger als drei Monate an einem Ort. Betty Bausch-Polak verdiente ihren Unterhalt als Bauernmagd, Kindermädchen, Putzhilfe, Dienstbotin oder Sozialarbeiterin. Allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz wurden Betty Bausch-Polak und ihr Mann verhaftet. Ihr Ehemann wurde 1944 von deutschen Besatzern erschossen. Sie kam frei. Ihre Eltern und Geschwister wurden deportiert. Die Eltern und ihre Schwester Juul wurden in einem der Vernichtungslager ermordet. Und wie durch ein Wunder konnte sie selbst in den Niederlanden überleben, und auch ihr Bruder Jaap und ihre Schwester Lies kamen aus den Konzentrationslagern frei.
Wie viele Überlebende des Holocaust sprach Betty Bausch-Polak lange nicht über ihre traumatischen Erlebnisse. Aber schließlich entschied sie sich, ihr Schicksal und das ihrer Familie zum Anlass zu nehmen, um aufzuklären und gegen das Vergessen zu kämpfen. Es dauerte bis in die 1990er Jahre, bis sie die traumatischen Ereignisse aufarbeiten, darüber sprechen und sie schließlich – gemeinsam mit ihrer Schwester Lies – auch aufschreiben konnte.
Seit vielen Jahren besucht Betty Bausch-Polak mit beneidenswerter Energie immer wieder Schulen in Deutschland und klärt auf – über ihre Erlebnisse, das Unrecht und die Gräueltaten des Nazi-Regimes. Vergangenheitsbewältigung, Schulen ohne Rassismus und auch die Verbesserung der deutsch-niederländischen Beziehungen sind ihr ein besonderes Herzensanliegen. Eindrucksvoll macht sie deutlich, dass man aus der Geschichte lernen kann – und lernen muss. Nur so gelingt es, Ungerechtigkeiten, Diskriminierung und Gewalt entgegenzuwirken.
„Wenn man so was wie den Holocaust überlebt hat, muss man einfach das Leben lieben, es umarmen und auf die Menschen zugehen“, sagte Betty Bausch-Polak in einem Zeitungsinterview. Und das tut sie bis heute! Liebe Betty Bausch-Polak: Ich bin stolz und glücklich, Ihnen heute für Ihren unermüdlichen Einsatz gegen das Vergessen das Verdienstkreuz am Bande überreichen zu dürfen.
(aus der Laudatio zur Verleihung des Bundesvedienstkreuzes am 12.11.2015)